Schall + Raum

niedriger Nachhall vs. klaren Raumklang

Kurze Nachhallzeiten sind kein Garant für gute Sprachverständlichkeit. Das ist in der Akustikbranche auch (zumindest überwiegend) so bekannt – und bewusst.

Dennoch spricht DIN 18041 eine andere Sprache – und pocht auf umso kürzere Nachhallzeiten, je höher der Bedarf an „guter Hörsamkeit“ eingeschätzt wird.

„normale“ Sprache trägt nur 4 Meter weit

Glaubt man einer DIN 18041 – und jenen, die diese Norm engagiert vertreten – dann reicht der Direktschall der Sprache aus, um in Räumen bis ca. 10 m Tiefe für eine gute Sprachverständlichkeit zu sorgen. Und laut DIN 18041 können folglich Räume bis 250 Kubikmetern Raumvolumen nie zu stark bedämpft werden.

Deshalb wird ausdrücklich empfohlen, Absorption in durchschnittlich großen Klassenräumen möglichst vollflächig über absorbierende Decken, bei Inklusion auf jeden Fall zusätzlich über eine Schall absorbierende Rückwand einzubringen. (DIN 18041:2016-03; „4.2.3 – Anforderungen an die Nachhallzeit“ und „5.2 – Volumenkennzahl“)

Nun habe ich einen solchen Raum (mit vollflächig bedämpfender Decke gemäß DIN 18041, noch in der Fassung 05/2004) mit meinem ReFlx®-System zusätzlich ausgestattet bzw. nachgerüstet. Das Resultat ist ein ruhiger Raum – in dem jetzt aber auch (trotz einer gewissen „Dumpfheit“ des Klangs) eine extrem klare Sprachverständlichkeit herrscht. – So musste man die (zu) starke Deckenbedämpfung nicht demontieren und entsorgen, um für Chancengleichheit (schülerseitig) und den optimalen Arbeitsschutz (für Lehrkräfte) zu sorgen.

Raum 222 der Städt. Realschule Waltrop – mit ReFlx®-System nachgerüstet

Solche Ratschläge der Norm werden in der Publikation „Hörsamkeit in Räumen“ von 2018 (Chr. Nocke [Hrsg.]: Hörsamkeit in Räumen – Kommentar zu DIN 18041; Beuth Verlag GmbH, 2018) bereits einleitend sogar als gesetzlich verbindlich beschrieben. Eine Anmaßung sondergleichen – insbesondere, wenn man bedenkt, dass mindestens für die 2. Novelle der Norm (Ausgabe 2016) versucht worden war, den Einfluss der Raumkanten in die Norm aufzunehmen. Tatsächlich ist dieses Engagement erfolgreich abgewehrt worden: Einzig ein Mal finden Raumkanten in der Norm eine eher verwirrende Erwähnung.

„Schallabsorber mit bevorzugter Wirksamkeit im tieffrequenten Bereich sind in Schallquellennähe, in Raumecken oder -kanten besonders wirksam“, so ist in DIN 18041:2016-03 zu lesen (Ordnungspunkt 5.4 – Positionierung akustisch wirksamer Flächen; Seite 19 der Norm). Das wird dem Sachverhalt nicht im geringsten gerecht, allein schon, weil die Anspielung auf tiefe Frequenzen die Sicht auf die Raumkante verzerrt darstellt.

Auch ein anderer Raum der Städt. Realschule Waltrop weist nun eine extrem gute Sprachverständlichkeit auf. Raum 122 hatte zuvor noch keinerlei akustische Ausstattungen erfahren. Nicht nur subjektiv empfunden, sondern sogar ausweislich des Gutachtens ist der Nachhall dort noch immer sehr deutlich präsent. Dennoch ist die Sprachverständlichkeit überragend gut – und vor allem gleichmäßig im gesamten Raum präsent.

Raum 122 der Städt. Realschule Waltrop – mit dem ReFlx®-System ausgestattet

Was macht gute Sprachverständlichkeit aus?

Sprache trägt nur über 3 bis 4 Meter Distanz wirklich gut und klar, nämlich mit hinreichender Energie – weil die höheren Frequenzen überproportional der Luftdämpfung erliegen. Bei größeren Distanzen leiden folglich am stärksten die höheren Frequenzen – und damit genau jene Frequenzen, die Sprachkodierung tragen. Die Stimmhaftigkeit von Sprache ist ein Hilfsmittel, aber kein Charakteristikum für Sprache.

Fände nicht eine Lautbildung im Mundraum statt, dann könnten auch die Vokale – die so genannt „Stimmhaften“ – gar nicht voneinander unterschieden werden. Die Stimmlippen bringen allein das Fundament hervor, den Grundton der Stimme. Sie modulieren hingegen den sprachlichen Kodierungsinhalt in keiner Weise.

Ein geringer Nachhall geht regelmäßig einher mit starker Absorption – insbesondere der mittleren und höheren Frequenzen, und damit genau der Sprachkodierung. Je schwächer der Nachhall, je kürzer die Nachhallzeiten, desto mehr leidet die Sprachverständlichkeit. Das gilt für alle – aber gerade für Personen, die unter Beeinträchtigungen ihres Hörsinnes leiden. Wer richtig „spitze“ Ohren hat, kann schlechte Sprachverständlichkeit zumindest besser kompensieren.

Bereits Wallace C. Sabine hatte – nicht nur einmal, aber bereits erstmalig in einer Publikation im Jahre 1906 – darauf hingewiesen, dass mit zunehmender Tonhöhe die Obertöne umso mehr in Mitleidenschaft gezogen wurden, je mehr Schall absorbierende Objekte oder Körper in einen Raum gebracht wurden. Seien das nun Stuhlpolsterungen oder Vorhänge gewesen, oder schließlich ein zahlreiches Publikum.