Nun, das trojanische Pferd ist eigentlich ein Bild, das nicht ganz passt. Denn während der trojanische Prinz Paris – zumindest der Sage nach – die Helena, die Frau des spartanischen Königs Menelaos entführt hatte, ist mir nicht klar, wer denn eigentlich wem etwas gestohlen habe, dass eine solche Täuschung in der Akustikbranche gerechtfertigt sei.
Das trojanische Pferd der Raumakustik ist der Nachhall.
Nicht das trojanische Pferd hält uns zum Narren, sondern viel mehr diejenigen, die Homer wiederum Jahrhunderte später nacherzählt haben. Aber auch Homer selbst war einer, der mündliche Überlieferungen zum Untergang Trojas zu zeitgemäßen und bühnenreifen Dramen verwoben hatte, der Ilias und der Odyssee.
Was lässt sich sagen über das trojanische Pferd, das in eine Wolke von Ungereimtheiten und in die tiefen Schatten der Zeit geraten ist? Aber vor allem: Was hat der Nachhall gemein mit dem trojanischen Pferd?
Denn ganz im Gegenteil herrscht zum Nachhall gar nicht so viel Unklarheit!
Hört man sich in der Akustikbranche um und fühlt seinen Gesprächspartnern auf den Zahn, dann ist den wenigsten so richtig klar, weshalb die Nachhallzeiten NICHT den ECHTEN Nachhall beschreiben. Aber fast allen ist klar & bewusst, DASS der Nachhall an sich wenig aussagekräftig ist. Wenn es um die Klarheit der Musik oder die Klarheit von Sprache geht, dann sind die Nachhallzeiten keine gute Richtschnur. Zwar weiß noch immer kaum jemand, WESHALB das so ist – aber DASS es so ist, das ist kein Geheimnis.
Weshalb bietet nun gerade das trojanische Pferd…
Aber gerade diejenigen, die den „Nachhall“ mit dem größten Engagement verteufeln und lieber mehr als weniger Absorption empfehlen, unterscheiden den Nachhall nicht vom Widerhall. Wallace C. Sabine hatte das auch nicht getan – weil er die unterschiedlichen Reflexionen von Schall (noch) nicht zu unterscheiden wusste. Aber deshalb muss man ja nicht „reverberation“ einfach übersetzen mit „Nachhall“.
… einen passenden Vergleich?
Nun ist schon der Anlass des Krieges der griechischen Stadtstaaten gegen das trojanische Königreich möglicherweise nur ein MYTHOS. Und derselbe Krieg endet dann auch mit einem weiteren MYTHOS. Es ist nämlich entschieden unwahrscheinlich, dass die griechischen Verlierer die Trojaner mit einem Pferd getäuscht haben. Mindestens ein aus Holz geschnitzter Pferdekopf hingegen dürfte dabei dennoch eine Rolle gespielt haben.
Homer, der Urheber des Irrtums, hat diesen jedoch nicht verursacht. Sondern diejenigen, die nach ihm ihre eigenen Erzählungen und Versionen aus jener Schlacht um Troja niedergeschrieben oder in Reliefen, Zeichnungen und Gemälden dargestellt haben. Im besten Falle hatten sie Details falsch aufgeschnappt. Im schlimmsten Falle haben sie einen wesentlichen Kern des Geschehens einfach umgedeutet.
Das trojanische Pferd…
Dass sie nicht wussten, was sie tun, ist unwahrscheinlich. Denn auch aus anderen Werken, etwa des Sophokles, geht hervor, dass ein seetüchtiges Schiff „hippos“ genannt wurde. Und Sophokles datiert 3 bis 4 Jahrhunderte NACH Homer! Der Sinn des Begriffs „hippos“ sowohl für Schiffe, als auch für Pferde war also keineswegs untergegangen. Aus dem Kontext heraus wird dabei deutlich, ob vom Tier oder von einem bestimmten Schiffstyp die Rede war.
„Reist Du über die See an Bord von ‚hippoi‘ oder auf kleinen Booten?“ so zitiert Francesco Tiboni den Sophokles („The Hippos of Troy – Why Homer Never Talked About a Horse“, Francesco Tiboni; Archaeopress Publishing Ltd., Oxford, 2021 – Seite 64). Und niemand hatte sich dabei vorgestellt, dass jemand im wörtlichen Sinne über die Wasser und Wellen reite!
… war kein Pferd

Der andere Mythos könnte der Raub der Helena sein. Mochte die Verherrlichung menschlicher Wesen als „göttlich“ auch geläufig gewesen sein zu jenen Zeiten. Mit Helena als Tochter des Zeus ist man hier ja so ganz in der Schnittmenge zwischen Menschenwesen und Göttern. Und auch raubte man zu jenen Zeiten alles auf zwei Beinen, was als Sklave taugte. Erst recht raubte man Frauen – sei es, um einen Gegner zu demütigen, sei es, um Ehen einzugehen (was auch eine Form der sklavischen Unterwerfung war).
Dennoch vermute ich eher, dass für jene Zeit – nämlich mit ca. 1.200 v. Chr. also lange vor der Blütezeit der griechischen Stadtstaaten – der freie Handel verteidigt wurde. Wenngleich Homer seine Epen um 750 v. Chr. verfasst haben soll, datiert man die Verwüstung Trojas um 1.200 v. Chr. DASS man Troja zu jener Zeit geschliefen habe, davon geht die Archäologie heute offenbar mehrheitlich aus. Denn die Verwüstungen Trojas in anderen Zeiten durch Erdbeben unterscheiden sich von jener Zerstörung.
Es deutet einiges darauf hin, dass Troja nur EINE reiche Stadt unter vielen anderen Siedlungen eines Volkes war, das sich die Meerenge der Dardanellen zunutze machen konnte. Wegelagerei und Raubrittertum, über die frühe Kulturen mit einem überschaubaren Aufwand prosperieren konnten. Das war nicht hinnehmbar für die Griechen, die am Handel mit den Völkern an den Küsten des Schwarzen Meeres interessiert waren.
Und noch ein weiteres interessantes Detail zur Entstehung von Homers Dramen möchte ich wenigstens einmal benennen. Die Dramen entstanden zu etwa jener Zeit, als griechische Stadtstaaten zumindest vermehrt Stadtgründungen am Schwarzen Meer betrieben.

Wenn die Griechen ihren Handel mit anderen Kulturen, die sie über das Schwarze Meer erreichten, langfristig sichern wollten, dann MUSSTEN sie diese Trojaner ein für allemal vernichtend schlagen. DAS erscheint plausibel als Motiv für ein solch enormes militärisches Engagement. Schließlich hatten sich untereinander rivalisierende griechische Stadtstaaten zusammengetan mit dem Ziel, Troja zu besiegen. Ob man sich dabei wirklich nur auf die Festungsstadt Troja beschränkt hatte, das sei also einmal dahingestellt. Auch das könnte ein dramaturgisch und auf der Bühne gut zu bewältigendes Detail sein, dass nicht die Realität spiegelt.